Nach wie vor steht völlig in den Sternen, ob und wie die Vorgaben der neuen Europäischen Stahlbaunorm EN 1090 in der Praxis überhaupt umsetzbar sind. Das sorgt vor allem in Kreisen des Schmiede- und Metallgestalterhandwerks für immense Verunsicherung. Doch statt – wie  in der angeblichen "Informations-Offensive" zu Jahresbeginn versprochen – die Mitgliedsbetriebe schnellstmöglich fit zu machen für einen "zertifizierten" Markt (wenn das überhaupt möglich ist), reitet der Bundesverband Metall (BVM) in seiner Öffentlichkeitsarbeit inzwischen die "Welle" des unlauteren Wettbewerbs, wie ein aktueller Beitrag von Frank Kania auf der BVM-Website zeigt.

HEPHAISTOS wird seine Berichterstattung über die Stahlbaunorm EN 1090, die das In-Verkehrbringen und die CE-Kennzeichnungspflicht von Stahl- und Aluminium-Tragwerken im bauaufsichtlichen Bereich regelt, auch in Ausgabe 1/2 2012 fortsetzen. Dazu interessiert uns die Meinung unserer Leser: Schicken Sie Ihre Kommentare per E-Mail oder diskutieren Sie mit auf unserer "Stop EN 1090"-Facebook-Seite.

 

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Seit wenigen Tagen gibt es neben dem Interview zum Thema mit Karsten Zimmer, dessen Wortlaut Sie ebenfalls auf dieser Website anklicken und nachlesen können, einen weiteren Beitrag vom Technischen Berater beim BVM, Frank Kania, über die "Zusammenarbeit" zwischen BVM und der Wettbewerbszentrale.

Angesichts des Wissens um die existenziellen EN-1090-Ängste in den Klein- und Kleinstbetrieben des Schmiede- und Metallgestalterhandwerks betrachtet die HEPHAISTOS-Redaktion die neue BVM-Verlautbarung als verklausulierten Aufruf zum Denunziantentum! In letzter Konsequenz ist er außerdem ein skandalöser Affront gegen viele kleine Metallgestalterbetriebe (und nicht nur die), die sich finanziell, fachlich und angesichts von nur fünf autorisierten EN-1090-Zertifizierern in Deutschland auch zeitlich noch gar nicht mit einer Zertifizierung auseinandersetzen konnten.

Den Wortlaut des Beitrages von Frank Kania auf der BVM-Website finden Sie hier:

Der BVM suggeriert in seinen Verlautbarungen, dass eine Zertifizierung nach EN 1090 inzwischen Normalität ist. Gleichzeitig hat er erst zwei kleinere Betriebe aus dem Metallhandwerk der Öffentlichkeit vorstellen können, die eine Zertifizierung nach EN 1090 erfolgreich bewältigt haben. Hinzu kommt die Schmiedewerkstatt von Bundesfachgruppenleiter Markus Balbach, über dessen Zertifizierung HEPHAISTOS ausführlich berichtet hat, nicht aber der BVM…

Nach momentanem Stand wird die EN 1090 mit Ablauf der sogenannten Koexistenzphase mit der alten DIN 18800-7 ab dem 1. Juli 2012 geltendes Recht. Doch vor dem Hintergrund dieser viel zu kurzen Übergangsphase stellt Cornelis Pronk, Präsident des Internationalen Fachverbandes Gestaltender Schmiede e.V. (IFGS), folgendes Rechenbeispiel auf:

"Deutschland hat ein riesen Problem: Derzeit gibt es lediglich fünf Zertifizierer. Denen stehen geschätzte 40.000 Betriebe gegenüber. Gehen wir von der Koexistenzphase bis 1. Juli 2012 aus, also vom Datum, zu dem die EN 1090 rechtlich umgesetzt werden soll, müssten pro Monat 4444 Betriebe zertifiziert werden. Legen wir die auf die fünf Zertifizierer um, kommen wir auf einen 'Zertifizierungs-Stau' von 888 Betrieben pro Monat. Teilen wir das wiederum durch 20 Arbeitstage pro Monat, dann müsste jeder Zertifizierer ab sofort jeden Tag 44 Betriebe erfolgreich zertifizieren. Dass ist unmöglich zu schaffen."

Ähnlich verhalte es sich in den Niederlanden, wie Pronk weiter vorrechnet: "In den Niederlanden gibt es nur zwei autorisierte Zertifizierer, denen geschätzt 17.000 Betriebe des Metallhandwerks gegenüber stehen. Nehmen wir die gleiche Rechnung vor: 17.000 Betriebe geteilt durch zwei Zertifizierer geteilt durch neun Monate à 20 Arbeitstage pro Woche - macht 47 zu zertifizierende Betriebe pro Tag. Und gehen wir einfach einmal von der Summe von 500,- Euro aus, die eine Zertifizierung bei entsprechender Vorbereitung im Betrieb in Rechnung gestellt wird, dann ergibt das für einen Zertifizierer pro Tag einen Umsatz von über 23.000 Euro. Allein daran zeigt sich der Unsinn der Situation, in der wir uns im Moment befinden!"