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Fast vier Tage lang drehte sich das Leben im oberbayerischen Städtchen Kolbermoor um die 10. Biennale der Schmiede:
Vom 31. Juli bis zum 3. August trafen sich hier Fachleute und Fans der Schmiedeszene zu einem betriebsamen und kreativen Austausch, der jedoch auch nachdenkliche Facetten annahm.

Die Schmiedekunst versteht sich als Botschafterin des Friedens. Früher diente sie der Herstellung von Kriegsmaterial, heute soll sie ein Zeichen setzen gegen Krieg.« Die Worte, die Verleger Peter Elgaß bei der Vergabe des Alfred-Habermann-Preises einleitend verwendete, könnten wie ein Motto übertragen werden auf die ganze Jubiläums-Biennale der Schmiede in Kolbermoor. Bürgermeister Peter Kloo gedachte in seiner Eröffnungsrede den Schmieden aus Ukraine und Russland und machte den Gästen deutlich, dass es durchaus nicht als selbstverständlich gelten kann, in Frieden leben zu dürfen. Viele Metallgestalter und Besucher waren sich dieses Privilegs bewusst – und genossen umso mehr das freundschaftlich-herzliche Miteinander auf dem Schmiedeplatz, das den fachlichen Austausch begleitete.

Das fast vier Tage dauernde Festival war vollgepackt mit Programm, während – bei meist hervorragendem Wetter – gleichzeitig pausenlos an den Schmiedefeuern gearbeitet wurde. Hier nur eine Auswahl der Höhepunkte, die keine Gewichtung darstellen soll.

Arbeitsgruppe Hexengitter: 
Biennale-Urgestein Helmut Brummer lud bereits im Vorfeld Jungschmiede dazu ein, mit ihm unter den Augen des Publikums ein Hexengitter nach historischem Vorbild zu schmieden. Mit großem Eifer, die nötige Präzision dabei niemals außer Acht lassend, ging die Arbeitsgruppe diese Herausforderung an und konnte das »Hexenwerk« schließlich deutlich früher als erwartet präsentieren. So ging es denn im weiteren Verlauf um Themen wie »Wirtschaftliches und rationelles Arbeiten mit Hilfswerkzeugen am Krafthammer«. Es wurde nicht langweilig, der hoch konzentriert arbeitenden Gruppe beim Planen und Ausführen über die Schulter zu schauen.

Helfstyn-Ausstellung im Harrerhaus: Jan Lauro, Kurator der Dauerausstellung mit den Arbeiten, die bei den tschechischen Schmiedetreffen auf Burg Helfstyn entstanden und entstehen, bewies Fingerspitzengefühl bei der Präsentation ausgewählter Stücke, die er nach Kolbermoor mitgebracht hatte.

Da standen Schmiedearbeiten aus den 1980er-Jahren neben relativ jungen Objekten und zeigten so einen beeindruckenden Querschnitt der geballten Kreativität, die das beliebte Schmiedetreffen hervorbringt – beeindruckend vor allem angesichts der Tatsache, dass den Teilnehmern auf Helfstyn in der Regel nicht mehr als zwei Stunden für die Herstellung zur Verfügung stehen. Mit dem frisch renovierten Harrerhaus fand die Ausstellung, zu der Jan Lauro ein mitreißendes Video mit Ansichten der Burg an die Wand warf, einen würdigen Rahmen.
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Alfred-Habermann-Gedächtnispreis: 
Mit seinem Friedensprojekt "Rosen für Oslo", das sich im Gedenken an das schreckliche Attentat auf der Insel Utoya vor drei Jahren formierte, vereinte der in Norwegen lebende schwedische Metallgestalter Tobbe Malm, unterstützt von der mittlerweile ausgeschiedenen Tone Karlsrud, 900 Schmiede. Sie sendetet ihm 1100 selbst angefertigte Rosen, die er zu einer großen Skulptur in einem Osloer Park zusammenstellen will. Es gelang Tobbe Malm nicht nur, Metallgestalter in der ganzen Welt zu mobilisieren und sie dazu zu ermutigen, sich selbst mit ihren Rosen den lokalen Medien zu präsentieren. Er und Tone Karlsrud schmiedeten außerdem persönlich mit Angehörigen und Überlebenden zahlreiche weitere Rosen. Ein emotionaler und physischer Kraftakt über Jahre hinweg, für den Tobbe Malm am Freitagabend mit dem Alfred-Habermann-Gedächtnispreis ausgezeichnet wurde. Er wird seit 2008 vom Fachverband IFGS an Schmiede verliehen, die sich durch ihre Arbeit oder ihr Engagement besonders hervorgetan haben. 

Der letzte Preisträger Johannes Angele überreichte die eigenhändig angefertigte Trophäe, die sich für einen, der sich zwar mit Schmiede-Zubehör blind auskennt, jedoch selten selbst am Amboss steht, durchaus sehen lassen konnte. In einem bewegenden Vortrag sprachen Tobbe Malm und sein Kollege Henke Levay, der das Projekt auf schwedischer Seite unterstützt, tags darauf von den aktuellen Entwicklungen und noch ungelösten Problemen des Projektes – ein Thema für die kommende Ausgabe von HEPHAISTOS. 

Schmieden mit Kindern:
Den Nachwuchs an das alte Handwerk heranzuführen, war ein Schwerpunkt der Veranstaltung, und so war denn der Bereich mit den – vorbildlich ausgestatteten – werkelnden Kindern und ihren Anleitern diesmal auch ins große Schmiedezelt integriert. Direkt davor öffnete sich wissbegierigen Kindern eine Schatztruhe mit staunenswerten Dingen aus der Welt des Eisens. Nicht nur Familien standen hier Schlange, auch unter den anwesenden Metallgestaltern entbrannten Diskussionen rund um das Thema, die entsprechend zahlreich den Vortrag von Volker Allexi und Cees Pronk zum "richtigen Schmieden mit Kindern" besuchten. Volker Allexi kündigte an, das Thema künftig noch weiter zu vertiefen und interessierten Schmieden eine konkrete Anleitung an die Hand zu geben.

Versteigerung der Biennale-Stücke: Ob 5 oder 500 Euro – die brennende Sonne auf dem Veranstaltungsplatz hielt Besucher und teilnehmende Schmiede nicht davon ab, am Sonntagmittag kräftig bei der Versteigerung der während der Biennale entstandenen Schmiedestücke mitzubieten, die von Peter Elgaß und Stadtmarketingleiter Christian Poitsch in bester Laune moderiert wurde. Einen Motivationsschub gab sicherlich die herausragende Qualität der in diesem Jahr angebotenen Stücke, die hier stolze Besitzer fanden. Der Erlös geht an das Europäische Zentrum für Zeitgemäße Metallgestaltung zur Finanzierung der nächsten Schmiedebiennale.
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Ein gehaltvolles Programm: Auch in diesem Jahr zog die Ausstellung im Mareissaal nicht nur Kenner geschmiedeten Eisens an, Arbeiten von auffallender Qualität ließen Besucher länger als nur einen Augenblick verweilen, zogen manch einen regelrecht in den Bann. Das neue Kolbermoorer Rathaus schmückte sich mit ausdrucksvollen Arbeiten aus Tschechien, in diesem Jahr Gastland der Biennale. Bürgermeister Peter Kloo, der sich die ganze Zeit über gut gelaunt unters Volk mischte, begrüßte in diesem Zusammenhang bei der Eröffnung am Freitagabend auch die tschechische Konsulin Lydie Holinková. 

Volker Allexi und sein Team waren mit Engelsgeduld unermüdlich am Gießen und Erklären und scharten damit zahlreiche Besucher um sich. Großes Interesse erweckte der emsig surrende 3D-Drucker im Vortragsraum, den Lotte Pronk mitgebracht hatte und dessen Funktionen und Möglichkeiten sie in einem Referat erklärte; hier wurde u.a. ein Kolbermoor-Gussmodell für Allexi hergestellt. 

Während sich die Trommlergruppe auf dem Platz am Samstagabend bereits geschäftig eingroovte, diskutierte man im Vortragsraum in kleinem Kreis um Günter Dolezal und Cornelis Pronk noch lange über die EN 1090. Einige Teilnehmer, das ergab die Frage in die Runde, sind bereits zertifiziert, andere hingegen passen. Eines der vorläufigen Fazits lautet, dass es sinnvoll sei, es mit dem Auftraggeber im Einzelfall vertraglich abzustimmen, wenn nicht nach der neuen Norm gearbeitet wird – und dies auch juristisch prüfen zu lassen. 

Die ungebrochene Beliebtheit des Themas Damast bewies die rege Teilnahme an den Vorträgen von Reto Zürcher zur Schwertherstellung und von Ulrich Gerfin mit wissenschaftlichen Details. Martin Bläse sorgte für Entspannung mit Klangkonzerten an seinem »Glockenturm des Glücks«. Zahlreiche fleißige Helfer sorgten für einen reibungslosen Ablauf des Festivals. Sponsoren wie Angele Schmiedetechnik, Ballistol und Eisenblätter stellten den Gästen interessantes Material zur Verfügung. 

Frisch in die Szene eingeführte Metallgestalter und alte Hasen schmiedeten, fachsimpelten, erinnerten sich, planten, weinten und freuten sich gemeinsam mit über die Jahre liebgewonnenen Besuchern fast vier Tage lang am Wiedersehen und am Unterhaltungsprogramm mit Musik und Feuerschau.
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Mehr Impressionen zur Schmiede-Biennale 2014 finden Sie in der nächsten Ausgabe von HEPHAISTOS, die am 2. September bei unseren Leserinnen und Lesern erscheinen wird.