Ausgabe 3/4 2007

Es gibt Städte, die locken mit einer besonderen Aura; als ob etwas versteckt wird hinter Plätzen, Straßen, Häuserfronten, Boulevards und Bauwerken. Stundenlang kann man die endlosen Labyrinthe verschiedener Stile, Epochen und Zeitalter durchstreifen beim Versuch, den Geheimnissen und der Seele einer Stadt auf die Spur zu kommen. Vielleicht ist das Gefühl, das einen bei solchen Streifzügen befällt, auch das, was man „das Herz einer Stadt“ nennt. Budapest ist eine solche Stadt. Sie ist geschmückt mit einer großartigen Architektur, in der sich nicht zuletzt eine fast tausendjährige Tradition kunstvoller Metallverarbeitung erhalten hat. Zwar sind die meisten dekorativen Schmiedearbeiten ins 19. und beginnende 20. Jahrhundert zu datieren – wenn sie nicht inzwischen ebenso verschwunden sind wie fast alle Zeugnisse aus dem späten Mittelalter und der Renaissance. Doch schmücken vielerorts noch heute kunstvolle Arbeiten als Tore, Balkone, Treppengeländer oder Türklopfer die architektonischen Formen der Gebäude. An erster Stelle zu nennen ist die Werkstatt von Gyula Jungfer (1841-1908), die einen prägenden Einfluss hatte auf die Arbeit der ungarischen Kunstschmiede vergangener Zeiten. Ungezählte Beispiele von Jungfers Arbeiten wurden in einer ganzen Katalogedition mit dem Titel „Muipari Mintalapok“ veröffentlicht. Aber Jungfer inspirierte seine Landsleute nicht nur, er wurde gleichsam zum Vorbild für nachfolgende Generationen. Schon zu Lebzeiten, mehr noch aber nach seinem Tod wurde ein Großteil der ungarischen Kunstschmiedearbeiten direkt oder indirekt von seinen Lehrlingen gefertigt. Manche von ihnen müssen gar als seine Jünger bezeichnet werden.