Ausgabe 11/12 2002

In 1500-Einwohner-Dörfchen Seljord in Südnorwegen gibt es nur zwei Jahreszeiten: vor der Dyrsku’n-Messe und danach. Das sagt Havard Bergland, der wohl berühmteste Schmied in Norwegen, der selbst seit 28 Jahren mit seinen Werkzeugen, Messerklingen und Kunstschmiedearbeiten hier vertreten ist, wenn in drei Tagen 75 000 Menschen dieses beschauliche Tal besuchen. Traditionell ist Dyrsku’n eine Landwirtschaftsschau, und die Handwerker machen neben den Viehzüchtern und Bauern den größten Teil der Aussteller aus. Seit geraumer Zeit trifft sich hier aber auch das rege Volk der Messermacher und –sammler. An dem Boom in der norwegischen Messermacherszene hat Berglands berühmtes Messerbuch einen großen Anteil. Leider werden die überwiegend hochwertigen Klingen aber auf einem für Mitteleuropäer erschreckend niedrigem Preisniveau gehandelt.
Zwar gibt es in Seljord jedes Jahr auch eine Ausstellung mit bemerkenswerten kunsthandwerklichen Erzeugnissen aus Holz, Textil, Ton und Keramik, zeitgemäße Kunstschmiedearbeiten sind aber kaum vertreten. Werkzeugschmiede haben eine lange Tradition in Norwegen, Zäune, Türen und Tore aus Metall findet man aber kaum. Das traditionelle Material in der norwegischen Architektur ist das Holz. Die wenigen Kunstschmiede, die ihre Erzeugnisse wie zeitlose Beschläge, Kerzenständer, Schlösser, Griffe und Kaminbestecke in diesem Jahr anboten, konnten sich aber über mangelnde Nachfrage nicht beklagen und sie verkauften ihre Arbeiten sogar zu guten Preisen. Die Menschen wissen gute kunsthandwerkliche Produkte zu schätzen, und die Kunstschmiede haben die Chance, im Sog der anderen Gewerke zu fahren. Havard Bergland hat nach seinem Messerbuch nun ein Standardwerk über das Kunstschmieden geschrieben. Wenn dies einen ähnlichen Boom auslöst wie das Messerbuch, wird es wohl in wenigen Jahren in Norwegen hunderte von Kunstschmieden geben.

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