Ausgabe 9/10 2002

Architekten, Stadtplaner, Ingenieure, Studenten aus aller Welt trafen sich vom 22. bis 26. Juli zum XXI. Weltkongress der Architekten in Berlin. „Berlin ist das architektonische Kapital, mit dem wir auf diesem Kongress wuchern wollen“, hatte Kongress-Präsident Andreas Gottlieb Hempel zum Auftakt gesagt. Die Stadt präsentierte sich dem Fachpublikum- vor allem im öffentlichen Raum - mit einer Fülle spektakulärer Monumente zeitgenössischer Architektur von internationalen Größen der Zunft. Dennoch und vielleicht gerade deshalb war viel von Krise die Rede, die weit über das gegenwärtige konjunkturelle Tief hinausgehe. Niedrige Honorare, arbeitslose Kollegen, mangelnde Kompetenz in einigen Fachgebieten, internationale Konkurrenz und aufstrebende konkurrierende Berufszweige gehörten zu den Problemen des Branche. Dabei werde der gravierende Wandel des Berufsbildes weder in der Berufspolitik noch in der Ausbildung angemessen berücksichtigt. Selbstkritisch hatte Hempel auch davon gesprochen, dass es den angehenden Architekten oft an praktischer Kompetenz fehle. In der Konsequenz leisteten viele Handwerker gestalterisch heute eine bessere Arbeit als mancher Architekt. Andererseits sei das Interesse an der Gestaltung des öffentlichen Raumes und der Baukultur in Deutschland unterentwickelt. Dabei betonte Kaspar Kraemer, Präsident des gastgebenden Bundes der Deutschen Architekten: „Gestaltung ist unser Kerngeschäft.“ In der Gestaltung der Baukultur und der Umwelt sieht Kraemer die besondere Verpflichtung seines Berufsstandes gegenüber der Allgemeinheit. Menschen brauchten Archtitektur nicht als Dreingabe, heißt es, sondern als Ressource ihres Zusammenlebens.
„Ressource Architektur“ lautete das Thema des Weltkongresses, wobei die globalen Probleme die lokalen Querelen relativierten. Die Union Internationale des Archtitectes (UIA) vereint 1,2 Millionen Architekten in 95 Ländern. Die Probleme könnten verschiedenartiger nicht sein. In Ostasien, Afrika und Lateinamerika wachsen in Schwindel erregendem Tempo Megastädte heran, in denen architektonisch-ästhetische Fachfragen weniger den Alltag bestimmen als die rapide schwindenen Lebensgrundlagen. In den Industrieländern sind die Städte mehr und mehr durch Überalterung und Industriebrachen geprägt. Umweltfreundliches Bauen heißt hier häufig, nicht (neu) zu bauen und bestehende Gebäude umzunutzen. Was Berlin betrifft, so hatte die dortige Archtiektenkammer zu vermelden, muss sich das Gros der Kollegen seit geraumer Zeit so oder so mit „Bauaufgaben im Altbaubereich“ bescheiden.

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