Ausgabe 9/10 2002

HEPHAISTOS-Mitarbeiter Josef Moos befasst sich aus lexikalischer, historischer und mystischer Sicht mit einem Werkzeug, zu dem die Metallgestalter ein eher zwiespältiges Verhältnis haben. Die Feile wird in Ausführungen mit verschiedenen Querschnittformen als spanabhebendes Werkzeug zum Bearbeiten, Glätten und Schärfen von Gegenständen aus Metall, Kunsstoff oder Holz benutzt. Die ersten feilenartigen Werkzeuge waren wahrscheinlich vielzackige Steine; später gab es Stäbe, die mit Haifischschuppenhaut überzogen waren. Aus dem 3. Jahrtausend vor Christus sind Feilen aus Bronze bekannt, aus dem Jahr 1100 nach Christus kennen wir die Beschreibung der Herstellung einer Flachfeile, wie sie bis ins 19. Jahrhundert üblich war.
Eine Darstellung aus dem Jahr 1420 zeigt den Nürnberger Feilenhauer Cuntz, wie er mit dem Feilenhauhammer die „Zähne“ auf die Feile aufbringt: sie werden durch schräg sich kreuzende, eingeschlagene Rillen, die sogenannten Hiebe, gebildet. Die Größe der einzelnen Zähne ergibt sich aus der Anzahl der Hiebe: grobe Armfeilen haben fünf, Feinschlichtfeilen bis zu 60 Hiebe auf einen Zentimeter. Seit dem 19. Jahrhundert wurden Feilen maschinell hergestellt: Die Feilenhaumaschine war eine der ersten Werkzeugmaschinen und machte das Handwerk des Feilenhauers überflüssig.
Die Mystiker vergangener Jahrhunderte sahen in der Feile kein urformschaffendes Werkzeug wie in Hammer und Amboss, sondern ein nachgeordnetes Hilfsmittel, das etwas bewirken soll, falls die Werkzeuge der ersten Kategorie nicht genügen. Aberglaube verstärkte das negative Bild der Feile als Symbol für die Auseinandersetzung mit etwas Sprödem, mit einem Widerstand, mit etwas, das sich dem Willen des Menschen entziehen will: Dem Teufel, der vom Schmied an die Kette gelegt wurde, gelang es eines Nachts mit Hilfe einer Feile, sich zu befreien. Prompt steckte er die Werkstatt in Brand.

Seite 44