Ausgabe 9/10 1999

Schilder und Ausleger erleben derzeit eine Renaissance. Wie Gestalter mittels dieser Zeichen in moderner, zeitgemäßer Weise ihre Botschaften dem Konsumenten vermitteln, zeigt HEPHAISTOS-Mitarbeiter Josef Moos anhand von ausgewählten Beispielen.
Heutige Marketing-Experten wollen nicht über ein Produkt informieren, sondern streben die Identifikation des Konsumenten mit dem Produkt an. Diese Marketing-Strategie bedient sich einfacher, klarer Symbole mit hohem Erkennungswert und weltweiter Verbreitung (z. B. Coca-Cola-Schriftzug, Mercedes-Stern oder Piktogramme), ein Trend, dem auch Metallgestalter folgen. Bei der Gestaltung gilt es, neben der Konzentration auf die "reine" Aussage und der Berücksichtigung von veränderten Lebensgewohnheiten der Menschen, auch auf aktuelle soziologische Befindlichkeiten einzugehen: Informationen werden bevorzugt audiovisuell aufgenommen; Piktogramme müssen weltweit identisch sein; die Menschen haben wenig Zeit zur Muße; Exotisches verdrängt das Bodenständige; die Menschen wollen nicht an die Vergänglichkeit ihrer Existenz erinnert werden; antiseptische Werkstoffe wie rostfreier Edelstahl verdrängen das vergängliche Eisen; archaische Zeichen wie die Sonne bleiben in der allgemeinen Vorstellungswelt positiv besetzt; die "Flohmarktkultur" umgibt sich gerne mit Dingen aus der "guten alten Zeit". Mit Hilfe dieser Zustandsbeschreibungen läßt sich ein Maßstab an die ausgewählten Beispiele anlegen; eine Bewertung mögen die Leser selbst vornehmen. Der klassische Ausleger an einer Apotheke in Erding/Oberbayern greift, mit Rücksicht auf die vornehmlich ältere Kundschaft, auf die bekannten Symbole Kräuter und Schlange zurück.
Der futuristisch anmutende Ausleger aus Edelstahl an einem Pfarrheim in Bad Tölz ruft die Vergangenheit des Gebäudes, das früher eine Mühle war, in Erinnerung. Ein exklusives Stoffgeschäft in Innsbruck zieht seine Kunden mit einem Symbol für das immer noch gültige Prinzip des Webens an: eine zeitgemäße Reduktion auf drei Edelstahlstangen und ein Stück Gewebe aus Kohlefasern.
Der Photograph, gesehen in Moosburg an der Isar, erinnert an ein Ritual aus vergangenen Zeiten, als sich das wohlhabende Bürgertum für die Nachwelt portraitieren ließ. Das Material Kupfer assoziiert Solidität, Wert und Seriosität. Mehrere Symbole zur Steigerung der Aussage vereint der Ausleger vor dem Heimatmuseum in Straubing: die Sonne als Zeichen für Wärme und Leben, das junge Mädchen als Blickfang und der Goldanstrich, der für Glanz, Reichtum und Wohlstand steht. Ausleger einer Café-Bar in der Münchner Hohenzollernstraße, der seine vorder- und hintergründigen Botschaften auf werbestrategisch raffinierte Weise mit einfachsten Mitteln verkündet.
Anonyme, austauschbare Figuren tragen in spielerischer Leichtigkeit die Buchstaben eines Treffpunktes für unbeschwerte, bindungslose junge Menschen. Die Figuren repräsentieren eine neue Generation von Jugendlichen, die sich an diesem unverbindlichen Ort - durch Welten getrennt von der einstigen Münchner Caféhaus-Kultur - zu einer kurzen Verabredung treffen, um danach wieder in die Anonymität einzutauchen. Das exotische Krokodil, das auf den Barbetrieb hinweist, weckt Sehnsüchte nach fernen Ländern und verspricht der hier hereinschnuppernden Spaßgesellschaft besondere Erlebnisse. Der Gestalter, der leider nicht zu ermitteln war, hätte eine Auszeichnung für die vortreffliche Umsetzung des herrschenden Zeitgeistes verdient.