Ausgabe 7/8 1999


In der Entwicklungsgeschichte des Werkzeugs eröffnete die Zange als "verlängerter Arm" des Schmieds ganz neue Möglichkeiten der Metallbearbeitung. HEPHAISTOS-Spurensucher Josef Moos untersucht in seiner kulturgeschichtlichen Betrachtung die Funktion und mystische Bedeutung der Zange und das daraus resultierende zwiespältige Verhältnis der Menschen zu ihr:
Als im Gebiet der heutigen Türkei 2000 Jahre vor Christus erstmals Eisen zur Herstellung von Werkzeug und Schmuck bearbeitet wurde, standen noch keine Zangen zur Verfügung; das Eisen wurde mit einfachen Klemmvorrichtungen oder mit den Füßen gehalten, wie dies zum Teil noch heute beispielsweise bei afrikanischen Schmieden üblich ist. Archäologische Funde lassen vermuten, daß Zangen erst etwa 1000 vor Christus von Schmieden verwendet wurden. An eine Schmiedezange werden hohe Gebrauchsanforderungen gestellt und es kommen bei ihrer Benutzung komplexe physikalische Gesetze zur Anwendung, die sie trotz der einfachen Funktion zu einem sehr komplizierten Werkzeug machen. Zu dessen Herstellung sind viel handwerkliches Geschick und die Verwendung eines Stahls mit besonderen Eigenschaften notwendig, der beim Kontakt mit dem glühenden Werkstück nicht versprödet oder aufhärtet. Die Backen der Zange müssen dem Verwendungszweck und der Größe des Werkstücks angepaßt sein, so daß mit ihr ein müheloses Greifen und Handhaben des Werkstücks, ohne Verkanten oder Verdrehen, möglich ist.
Nicht nur funktional bedingte Schwächen der Zange veranlassen viele Schmiede instinktiv dazu, den Gebrauch dieses Werkstücks, das in vielen Kulturen negativ besetzt ist, nach Möglichkeit zu vermeiden. Im Mittelalter galt die Zange den Menschen als Attribut von Folterknechten und als Teufelswerkzeug, mit dem die armen Sünder im Fegefeuer gequält wurden.
Während der Hammer direkt aus menschlicher Kraft heraus formt, trennt die Zange den Menschen von seinem Werk, entwertet gewissermaßen das Geschick der menschlichen Hand. In archaischen Kulturen galt sie deshalb als Hilfsmittel des Schwachen, Morbiden oder Hinterlistigen. In der Zunftordung des Mittelalters standen die Zangenschmiede weit unten auf der Rangliste der Eisenberufe. Das Museum "Le Secq des Tournelles" in Rouen (siehe HEPHAISTOS Nr. 5/6 1996) zeigt in seiner weltgrößten Schmiedeeisensammlung eine Reihe wunderschön gearbeiteter Zangen französischer und deutscher Schlossermeister. Nicht nur die Eisenberufe kommen ohne Hilfe der Zange nicht aus, auch die Werke der Feinmechanik und Optik wären ohne sie undenkbar. Doch hier hat schon der nächste Entwicklungsschritt eingesetzt, der nicht nur die menschliche Hand, sondern den ganzen Menschen entbehrlich macht: Der Greifarm des Roboters wird von einem elektronischen Programm gesteuert.