Ausgabe 5/6 2002

Nach Fantasiefiguren, die blinde Jugendliche aus Ton geformt haben, hat der Metallkünstler Andreas Rimkus einen Tastbrunnen mit Bronzefiguren für die niedersächsische Landesgartenschau in Bad Zwischenahn gestaltet. In dem Blinden- und Impressionsgarten, in dem der „Vierjahreszeiten-Brunnen“ steht, soll den „Sehenden“ die „Sicht“ der Blinden vor Augen geführt werden.
Rimkus konnte das Projekt nur in die Tat umsetzen gemeinsam mit Menschen, die den Sinn haben zu verstehen. Verstehen heißt hier im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“. Sehende, die glauben, den Überblick zu haben, erleben „das blaue Wunder“. Wenn sie nämlich unversehens einen bestimmten Punkt des Brunnens berühren, „der ins Auge sticht“, werden sie nassgespritzt. Die Botschaft, die auf der Brüstung geschrieben steht, können nur Nichtsehende lesen. Es ist eine Art Gebrauchsanweisung in Blindenschrift. Denn unter den Granitplatten sind ringsherum Sensoren verborgen, auch in den kleinen Bronzefiguren, die die vier Jahreszeiten symbolisieren. Wenn man sie anfasst, sprudelt das Wasser aus unzähligen Düsen, und weil sie alle unterschiedlich gestaltet sind, bringen sie auch verschiedenartige Geräusche hervor. Jedenfalls „muss, wer hören will auch fühlen“.

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